Hexagramm 24 – Die Wiederkehr
Sucht – Innovation – Stille
Kennst du die Stille nachdem das Orchester verklungen ist.
Hexagramm 24 – Das ist der Moment, nachdem alle akustische Energie im Konzertsaal transferiert wurde, die Töne verklungen sind, aber die Schwingung noch spürbar ist. The sound of silence. Das kann für jene mit dem Kanal der Offenheit (22-12) ein sehr bewegender Moment sein, weil hier nochmal alle in einem Musikstück verarbeiteten Emotionen ausschwingen und wir sie sehr intensiv wahrnehmen können.
Willkommen zur Kontemplation von Hexagramm 24.
Es ist ein wirklich magischer Moment. Eine Reportage über Claudio Abbado, einem meiner geheimen Mentoren, wenn es um Musik geht, heißt „Hearing the Silence“, denn Abbado legte bei seinen Konzerten besonderen Wert darauf dieser Stille zu lauschen, um die durch die Musik vermittelte Energie aufnehmen zu können. Ich vielen Werken, ist die Stille in Form einer Pause in der Partitur vom Komponisten sogar vorgesehen. Zum Beispiel im Vorspiel von Wagners Tristan und Isolde, wo nach dem ersten Tristan-Akkord (Sehnsuchtsmotiv) ein ganzer Takt Pause vom vorgegeben ist. Nach Mahlers 1. Satz (der Totenfeier) seiner 2. Symphonie hat der Komponist ursprünglich eine Pause von 5 Minuten vorgesehen.
Er schreibt persönlich in seinem letzten Entwurf seiner inhaltlichen Erläuterungen zu seiner zweiten Symphonie, vom Dezember 1901:
„1. SATZ: ALLEGRO MAESTOSO
Wir stehen am Sarge eines geliebten Menschen. Sein Leben, Kämpfen, Leiden und Wollen zieht noch einmal, zum letzten Male an unserem geistigen Auge vorüber. – Und nun in diesem ernsten und im Tiefsten erschütternden Augenblicke, wo wir alles Verwirrende und Herabziehende des Alltags wie eine Decke abstreifen, greift eine furchtbar ernste Stimme an unser Herz, die wir im betäubenden Treiben des Tages stets überhören: Was nun? Was ist dieses Leben – und dieser Tod? Giebt es für uns eine Fortdauer? Ist dieß Alles nur ein wüster Traum, oder hat dieses Leben und dieser Tod einen Sinn? – Und diese Frage müssen wir beantworten, wenn wir weiter leben sollen. –
[Fünfminütige Pause]“
Die zweite Symphonie von Gustav Mahler trägt oft den Titel „Auferstehung“ (nicht von Mahler selbst gewählt).
Hexagramm 24, das im alten I Ching, dem Buch der Wandlungen als „Wiederkehr“ betitelt wird, erinnert uns an die Stille.
Hier ist jedoch nicht die physische Stille gemeint, wenn kein akustisches Signal erklingt, sondern die Stille unserer Gedanken. Erst wenn wir unsere Gedanken zur Stille bringen, können wir den (Klang-)Raum hinter unserem irdischen Vorhang erhellen und im wahrsten Sinne des Wortes Erleuchten.
Hexagramm 24 hat einiges mit der 2. Symphonie gemeinsam. Ich nenne sie meine persönliche Schicksalsymphonie, weil ich viele persönliche Schicksalsmomente damit verbinde. Es gibt drei prägende Erlebnisse, die ich mit ihr verbinde. Das erste war, als ich die 2. von Mahler kennenlernte, eine Begegnung mit einer koreanischen Violinisten auf einer Studienkonferenz, in die ich mich spontan Hals-über-Kopf verliebte. Wir haben Mitten in der Nacht Leonard Bernsteins Interpretation von Mahlers 2. angehört und ich hätte wegen dieser schönen Frau fast die Liebe meines Liebens verlassen, mit der ich zum Glück heute noch zusammen bin und gestern unseren 13. Hochzeitstag gefeiert habe. In unseren „Flitterwochen“ sind Freya und ich nach Mailand gereist, extra um Maestro Abbado live bei der öffentlichen Probe zu Mahlers 2. zu erleben (Konzertkarten gab es schon keine mehr), doch Probe und Konzert wurden aufgrund des Erkrankens von Abbado abgesagt. Die dritte Begegnung (oder nicht-Begegnung) mit Mahlers 2. war im Kloster Eberbach im Rheingau, als alle Zuhörer mit den Orchestermusikern in der Klosterkirche saßen und auf die Aufführung unter Andris Nelsons warteten. Doch der Maestro war kurzfristig erkrankt und auch dieses Konzert wurde mehr oder weniger abgesagt.
Daher habe ich „schicksalhaft“ Mahlers 2. noch nie bei einer Live-Aufführung erleben dürfen. Dieses Jahr habe ich die nächste Gelegenheit in Gstaad im Nachbartal.
Die Auferstehung nach der „Totenfeier“, bzw. die Lücke zwischen dem Tod und dem Neubeginn, ist die Essenz von Hexgramm 24.
Es geht darum, die Lücke zu finden, zu überbrücken und den Kreislauf zu durchbrechen. Ich komme gleich noch auf die Schattenfrequenz, die Sucht, zu sprechen, die sich in Innovation löst, wenn wir der Lücke den Raum geben unsere Frequenz zu heben. Doch lasst uns noch kurt bei der großen Lück zwischen Leben und Tod verweilen.
Die für den Menschen bedeutendste Lücke, über die sich schon viele Philosophen und Künstler den Kopf zerbrochen haben und die viele Menschen Angst große Angst bereitet, ist die zwischen Leben und Tod. In der Illusion der Maya leben wir unausweichlich dem Tod entgegen, bzw. sehen wir den Tod als ein finites Ende unseres Seins.
Im Hinduismus und Buddhismus wird der Tod, bzw. das Leben eher als eine Art Wiederkehr gesehen, da wir nach unserem Abgang reinkarnieren, um bestimmte Aspekte unseres Lebens neu zu erfahren und unser Karma aufzulösen. Das ist hier natürlich sehr vereinfacht dargestellt.
Doch auch die Reinkarnation ist Teil der Maya, der Illusion, in der wir leben und nur eine Gedankenstütze oder eine Wortbrücke, um das Konzept, irgendwie verstehen und beschreiben zu können. Richard Rudd schreibt, das einzige, was wirklich wiederkehrt oder reinkarniert ist die Stille.
„From the point of view of the 24th Siddhi however, reincarnation is simply another human concept born out of the language of the maya itself. […] When one piece of equipment dies, it is gone, but it played a part in writing a great transcendent script. Even though the equipment has died the play must go on, as the saying goes. Therefore, what appears to keep returning to the world of form actually never leaves. Bodies are born and die and their specific awareness functioning dies with them, but the overall consciousness beneath continues. It is silent, undying, intangible and beyond form. Thus when you identify with or remember a past life, or even a future life, you are simply reading the information within your fractal line. It is contained within your blood, but no aspect of me survives death except the silence of consciousness itself. How can there be anything other than silence, when true silence negates awareness?“
Die 24 ist die Spiegelzahl der 42, der Antwort auf die Frage, „Was ist der Sinn des Lebens?“.
Beide Genschlüssel, Hexagramm 24 und Hexagramm 42 gehören zum Codon Ring von Leben und Tod. Während es bei der 42 um das Loslassen von unseren Erwartungen an das leben geht, der Integration unseres Leidens und den Witz des Todes zu verstehen, dass das Leben nur ein Spiel ist, um wirklich losgelöst und frei die Fülle in jedem Augenblick zu empfangen, geht es bei Hexagramm 24 um die Lücken, die Pausen, die Stille zwischen den Momenten. Wenn also Tor 42 das Ende eines Kreislaufes von Leben und Tod repräsentiert, dann ist Tor 24 die Lücke zwischen diesen Kreisläufen. Das Rad als Symbol eines Kreislaufs, bildet die mechanischen Prozesse ab, die Menschen in die körperliche Form und wieder hinaus bringen. Diese Prozesse folgen den selben Prozessen, denen auch Galaxien, Sonnensysteme oder Atome unterliegen und bei Hexagramm 24 geht es eben um genau diese Lücken zwischen den Kreisläufen, wie Intervalle zwischen Leben, der Raum zwischen Atomen oder die Stille zwischen zwei Tönen.
In diesen Lücken steckt die Magie, die die Evolution unserer Achtsamkeit nach vorne bringt und zwar in Form eines Quantensprungs.
Mahler schreibt: „Was ist dieses Leben – und dieser Tod? Giebt es für uns eine Fortdauer? Ist dieß Alles nur ein wüster Traum, oder hat dieses Leben und dieser Tod einen Sinn?“
Das sind Fragen die wir erst auf der anderen Seite des Vorhangs definitiv beantworten können, doch dann interessieren wir uns nicht mehr für diese Fragen.
Leben und Tod, Traum und Wirklichkeit sind im Jenseits, wo alles wieder in den universellen Ozean des Einheitsbewusstseins zurückfließt, irrelevant. Denn Leben ist ewiges Bewusstsein und kann nicht sterben. Das ist der Witz des Todes durch Hexagramm 42, den wir durch die Stille von Hexagramm 24 verstehen können. Oder auch nicht, denn in der letzten Stille, wenn alle Gedanken verstummt sind, gibt es nichts mehr zu verstehen.
Pure Stille ist nicht das gleiche wie Geräuschlosigkeit. Wir können sie nicht hervorrufen, indem wir einfach unsere Gedanken unterdrücken. Stille tritt dann ein, wenn wir unsere Aufmerksamkeit vom Verstand abziehen und auf den Solarplexus lenken, der die Schaltstelle der Achtsamkeit ist und als solche unsere Frequenz mit dem universellen Resonanzfeld verbindet. Demnach werden wir nicht still, sondern Stille kommt auf uns herab, oder noch besser erwacht aus unserm Innern, weil sie dort schon immer vorhanden war. Das ist ein weiteres Paradoxon des Lebens, denn wir können Stille nicht erfahren, wenn es keinen Erfahrenden mehr gibt, wenn der Verstand nichts mehr zu deuten hat. Wir denken nicht länger sondern werden vom Leben gedacht. Stille negiert alles und bringt im selben Moment alles zusammen, es ist wissen und nicht wissen gleichzeitig.
Die Stille tritt dann ein, wenn wir nicht mehr danach streben zu wissen, sondern uns der puren Existenz des ewigen Bewusstseins hingeben.
Im Tao Te Ching beschreibt Lao Tze 81 Lebensweisheiten. Die ersten beiden Sutren beschreiben sehr gut das hier verwendete Paradoxon.
1
Tao Called Tao is not Tao.
Names can name no lasting name.
Nameless: the origin of heaven and earth.
Nameing: the mother of tenthousand things.
Also, das Tao, dass man bezeichnen kann, kann nicht Tao sein, denn Namen können nichts beszeichnen, was ewig wärt.
Ähnlich verhält es sich mit der Stille. Wie kann man etwas beschreiben, dass jenseits von Sprache liegt. Sobald ich es nenne, ist die Stille vorbei. Oder andersum, sobald ich der Kindlichen Kaiserin einen Namen gebe, ist das Nichts durch meine Fantasia aufgehoben.
2
Recognize beauty and ugliness is born.
Recognize good and evil is born.
Is and Isn’t produce each other.
Das ist das gesetz der Polarität. Alles hat zwei Seiten, beide Seiten gehören aber zur selben Frequenz. Das Denken und die Stille, die Erfahrung und der Erfahrender, das Wissen und das nicht-Wissen.
Was hat es nun mit dem Schatten der Sucht und der Gabe der Innovation von Hexagramm 24 auf sich?
Ich finde die Herangehensweise und die Gegenüberstellung von Sucht und Innovation von sehr weise. Sucht entsteht meistens dann, wenn wir uns vor der Lösung einer Aufgabe oder den uns gesendeten Signalen verstecken. Unser Körper und unser Unterbewusstsein machen uns auf bestimmte Themen, die es zu lösen gilt aufmerksam, aber wir wollen nicht hinschauen, wollen das damit verbundene Gefühl oder die Schmerzen nicht aushalten und „kompensieren“ die Symptome mit einem Suchtverhalten. Wir fressen die Sorgen in uns rein, oder lenken uns mit dem Bling Bling der Unterhaltungs- oder Spiel-Industrie ab, betäuben unsere Sinne mit Drogen, nur damit wir uns nicht unseren Dämonen stellen müssen. Denn Stille bedeutet natürlich, die Lücke aushalten zu müssen, in der wir nur mit uns allein sind. Es ist niemand da, um uns zu pampern und wenn wir nicht bereit sind uns der knallharten, ehrlichen Stille hinzugeben, beschallen wir uns lieber mit dem lauten Tam-Tam und den lustigen, bunten Bildern.
Wenn wir jedoch mutig genug sind, unseren Schatten und Ängsten zu begegnen, haben wir die Gelegenheit, diese Lücken wahrzunehmen und anstatt mit den gewohnten Gedanken darauf zu reagieren, der Stille Raum zu geben, um einen Shift, eine Variation des Klangs oder die Frequenz in einer höheren Oktave wahrzunehmen. Dann können wir diese „Wiederkehr“, wie sie im I Ching – dem Buch der Wandlungen genannt wird, als eine Spirale, anstatt eines Kreislaufes erkennen.
Und das Geschenk ist, die Innovationen zu erfahren, in den Klängen und den Frequenzen, die wir erhalten, nachdem wir eine Lücke überbrückt haben.
Das können Innovationen (Mutationen) in unserer DNA sein, in unserer Kreativität, in der Art und Weise, wie wir mit anderen Menschen und der Umwelt kommunizieren und mit diesen Innovationen bringen wir etwas ganz eigenes und ganz neues in die Welt. Und genau das ist es überhaupt im Grunde wozu wir hier sind. Das ist der Sinn des Lebens, dass wir das Universum frequentiv ausdehnen, Neues entdecken, Nuancen, Variationen von bereits bestehenden Themen entwickeln und auch ganz neue Themen erklingen lassen. Eben wir in der Musik, in einer Fuge, einer Sonate, oder einer großen Sinfonie, wenn ein Thema eröffnet wird und dann in verschiedenen Durchgängen variiert oder transformiert wird.
Es ist ein Spiel. Ein Spiel zwischen Aktion und einfachem Sein, zwischen Innovation und Durchführung, zwischen Klang und Stille.
Und wir sind der Schöpfer, die Vielfalt des unendlichen Bewusstseins, der die Klänge zwischen den wiederkehrenden Lücken immer wieder neu zum schwingen bringt, und auf diese Weise die einzigartigen Erfahrungen kreiert, die das Leben ausmachen.
Danke fürs Lesen. Wenn du magst, hinterlass uns gerne einen Kommentar, abonnier unseren Newsletter und vertiefe dein Wissen über Human Design, indem du dir unser Buch bestellst, das jetzt bei Amazon als Kindle-Version erhältlich ist und demnächst auch als Taschenbuch.
Sei gesegnet und finde deinen einzigartigen Klang in der Stille.
Holger
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